Ein guter Boden für Symbiosen

Unter der Erde existiert das vielfältigste Ökosystem unseres Planeten. Es besteht nicht nur aus einer grossen Zahl an Arten, sondern auch aus symbiotischen Beziehungen.

Pilze und Pflanzen gehen im Boden auf Tuchfühlung und bauen eine symbiotische Beziehung zueinander auf. Bild: Adobe Stock.
Pilze und Pflanzen gehen im Boden auf Tuchfühlung und bauen eine symbiotische Beziehung zueinander auf. Bild: Adobe Stock.

In keinem anderen Ökosystem der Erde tummeln sich so viele Bakterien, Viren und Pilze auf engem Raum wie im Boden. Dazu gesellen sich Milben, Asseln, Springschwänze und Regenwürmer und in diesem ganzen Gemenge stecken auch noch die Wurzeln der Pflanzen. Es verwundert darum nicht, dass sich im Boden über Jahrmillionen viele Organismen zusammengetan haben, um gemeinsame Sache zu machen. Heute werden diese Beziehungen intensiv erforscht.

 

Dabei wird das Augenmerk auch auf das Thema der Kommunikation gelegt. Denn damit Symbiosen überhaupt funktionieren, braucht es zwischen den verschiedenen Organismen irgendeine Form des Informationsaustauschs. Man könnte das auch eine gemeinsame Sprache nennen. 

 

Der türkische Ökologe Gökhan Boyno hat kürzlich in einem Fachmagazin «Symbiosis» vorgeschlagen, diese Sprache «Symbioticish» zu nennen. Auf Deutsch also etwa «Symbiotisch». Im Unterschied zur menschlichen Sprache funktioniert «Symbiotisch» nicht mit Wörtern, sondern mit chemischen Verbindungen. 

 

«Wenn eine Pflanze Nährstoffe wie Phosphor benötigt, sondert sie so genannte Strigolactone in den Boden ab. Das sind chemische Verbindungen, die den Mykorrhiza in der Nähe signalisieren, dass sie jetzt bitte an der Wurzel andocken sollen», erklärt Gökhan Boyno. «Die Geschwindigkeit dieser Kommunikation ist allerdings viel langsamer als bei uns Menschen. Es kann Stunden oder Tage dauern, bis die Botschaft bei den Pilzen ankommt.»

 

Pilze und Pflanzen

Der Fliegenpilz ist eine von vielen Mykorrhiza Arten. Er tauscht mit den Waldbäumen Nährstoffe aus. Bild: Adobe Stock.
Der Fliegenpilz ist eine von vielen Mykorrhiza Arten. Er tauscht mit den Waldbäumen Nährstoffe aus. Bild: Adobe Stock.

Die Symbiose zwischen Mykorrhiza-Pilzen und Pflanzen ist einer der berühmtesten Zusammenschlüsse von zwei gänzlich unterschiedlichen Organismen. Diese Partnerschaft ist evolutionsgeschichtlich sehr alt und geht auf das Auftreten der ersten Landpflanzen überhaupt zurück. «Es wurden 450 Millionen Jahre alte Fossilien von Mykorrhiza gefunden», erklärt Franz Bender, Bodenökologe bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für Landwirtschaft. «Die ersten Landpflanzen waren Moose, die keine wirklichen Wurzeln besassen. Der Pilz war quasi die Ersatzwurzel und konnte die Moose mit Mineralien versorgen», so Franz Bender weiter. 

 

Heute gehen achtzig Prozent aller Landpflanzen eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen ein. Das Pilznetzwerk erstreckt sich durch jeden Garten und jede Wiese. Es zieht sich durch Äcker und sogar der Wald ist mit ihm verbunden. Bei letzterem spricht man sinnigerweise von «Wood Wide Web».

 

Grundsätzlich sieht der Tauschvertrag so aus: Die Pflanzen geben den Pilzen energiereiche Zuckerverbindungen ab. Im Gegenzug liefern die Pilze Wasser und Nährstoff wie etwa Stickstoffverbindungen, Phosphor, Kupfer oder Eisen. Die feinen Pilzfäden können diese Stoffe viel besser aus dem Boden herauslösen als die vergleichsweise groben Pflanzenwurzeln. Dabei kann ein Kubikzentimeter Boden über hundert Meter Pilzmycel enthalten. 

Im Grasland findet man typischerweise bis zu dreissig Arten von Mykorrhiza, weiss Franz Bender. «In Ackerflächen sind es bis zu zwanzig Arten. Häufiges Pflügen sowie der Einsatz von Dünger und Pestiziden mögen die Pilze nicht.» Wie hoch die Artenzahl in einem typischen Gemüsegarten ist, wurde bislang leider noch nicht erforscht. 

 

Fakt ist aber: Sowohl in der Landwirtschaft als auch im Privatgarten können die Mykorrhiza einen grossen Effekt auf den Ertrag haben. «In unseren Versuchen auf Ackerflächen haben wir zuweilen dreissig Prozent mehr Biomasse», so Franz Bender. Es komme aber auch vor, dass gar nichts passiert oder dass die Effekte sogar negativ sind. Das heisst, die Pilze vermindern den Ertrag in manchen Fällen. Warum, weiss die Forschung noch nicht. «Trotzdem ist es gut, dass die Pilze da sind, denn sie sind eine Rückversicherung, wenn es plötzlich sehr trocken wird oder Schädlinge auftreten. Dann können die Pilze den Pflanzen dabei helfen, widerstandsfähiger zu sein», erklärt Franz Bender. 

Knöllchenbakterien

 Knöllchenbakterien beliefern Pflanzen mit Stickstoff. Im Gegenzug baut die Pflanze ihnen ein Heim. Bild: Adobe Stock.
Knöllchenbakterien beliefern Pflanzen mit Stickstoff. Im Gegenzug baut die Pflanze ihnen ein Heim. Bild: Adobe Stock.

Es gibt Symbiosen im Boden, die eine überragende Bedeutung für uns haben. Eine davon ist die zwischen Knöllchenbakterien und den Hülsenfrüchtlern. Sie macht den Luftstickstoff für uns Menschen aber auch für alle Tiere nutzbar.

 

Stickstoff ist einer der wichtigsten Bausteine des Lebens. Das Erbgut sowie die meisten Proteine bestehen zu einem grossen Teil aus ihm. Die Krux: Zwar enthält die Atmosphäre 79 Prozent Stickstoff, doch weder Pflanzen, Tiere, Pilze noch die meisten Bakterien kommen an dieses schier endlose Reservoir heran. Luftstickstoff ist eine extrem stabile Verbindung und für die meisten Lebewesen nicht zu knacken.

 

Die Knöllchenbakterien, auch bekannt als Rhizobien, gehören zu den wenigen Mikroben, die das können. Die Sache ist jedoch so schwierig, dass es ihnen nur im Verbund mit den Hülsenfrüchtlern gelingt. 

Am Anfang des Prozesses steht wieder die Sprache Symbiotisch. Die Pflanze sondert über die Wurzeln einen Lockstoff ab. Diesem schwimmen die Rhizobien entgegen und finden so zu den Wurzeln. «Es sind ganz ähnliche Mechanismen wie bei den Mykorrhiza Pilzen», sagt Bender. «Sie haben den Rhizobien quasi den Weg geebnet.»

Tatsächlich ist die Symbiose zwischen Knöllchenbakterien und Pflanzen erst etwa vor 65 Millionen Jahren entstanden; also vergleichsweise spät in der Evolutionsgeschichte.

 

Bei den Wurzeln angekommen, produzieren die Rhizobien einen Signalstoff, der die Wurzelzellen dazu bringt, ihre Immunabwehr zu senken und die Bakterien reinzulassen. Dieser Teil ist knifflig. Denn der Boden ist von vielen verschiedenen Stämmen von Rhizobien bevölkert und nicht alle sind kompatibel mit ein und derselben Pflanzenart. Lässt die Pflanze den falschen Stamm rein, funktioniert die Symbiose nicht. Ebenso könnten bei einer reduzierten Immunabwehr Krankheitserreger in die Wurzeln gelangen, was fatal sein könnte. 

Die Pflanze nimmt die richtige Sorte von Bakterien über winzige Moleküle war, welche diese absondern. Es ist quasi ihr Geruch. Detektiert die Pflanze etwas anderes, fährt sie die Immunabwehr sofort wieder hoch, um die ungebetenen Gäste abzuwimmeln.

 

Die gewünschten Rhizobien ziehen schliesslich in geschwürartige Erweiterungen auf den Wurzeln ein. Diese werden ausgebildet, sobald die Bakterien angekommen sind. Das sind die berühmten Knöllchen. Hier werden sie mit allem versorgt, was sie zum Leben benötigen: Wasser, Nährstoffe sowie Zuckerverbindungen. Im Gegenzug wandeln die Rhizobien den unantastbaren Luftstickstoff in Ammoniak um; also besten Pflanzendünger. 

Die ganze Sache ist allerdings sehr energieaufwändig für die Pflanze. Darum reguliert sie die Zahl der Knöllchen, damit es nicht zu viele werden und sie sich verausgabt. Unter anderem misst sie dazu permanent den Stickstoffgehalt im Boden. Wenn es zu viel davon gibt, werden keine Knöllchen mehr gebildet. Ebenso benötigt die Pflanze für den Prozess sehr viel Phosphor. «Das heisst, die Hülsenfrüchtler gehen gleichzeitig eine Verbindung mit den Mykorrhiza Pilzen ein. Nur so können sie ihren Bedarf an Phosphor decken», sagt Bender. 

Wurzelendophyten

Neben den berühmten Rhizobien gibt es weitere Hunderte oder gar Tausende Bakterienarten, die sich im Wurzelbereich mit Pflanzen zusammenschliessen. Es sind die Wurzelendophyten. Seit wenigen Jahren befasst sich die Forschung intensiver mit ihnen, denn sie lassen sich in Zukunft allenfalls für die Landwirtschaft und den Gartenbau nutzen.

 

Eine der wenigen Spezialistinnen auf diesem Gebiet ist Olubukola Oluranti Babalola, Mikrobiologin an der North-West University in Südafrika. «Wir vermuten heute, dass die meisten Landpflanzen eine Symbiose zu einem oder mehreren Wurzelendophyten eingeht. Sie fördern die Nährstoffaufnahme, wehren Krankheiten ab und fördern das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen», so Olubukola Oluranti Babalola über den Stand der Forschung.

 

Ähnlich wie bei Mykorrhiza und Rhizobien locken die Pflanzen die Wurzelendophyten mit chemischen Botenstoffen an. Anschliessend dringen die kleinen Helfer in das Wurzelgewebe ein. Dort produzieren sie beispielsweise Auxin. Das ist ein wichtiges Wachstumshormon von Pflanzen. Es führt zu verstärktem Wurzelwachstum und verbessert dadurch die Nährstoffaufnahme. Die meisten Gemüse des Nutzgartens gehen Symbiosen mit Wurzelendophyten ein; unter anderem Lattich, Kohl, Karotte, Paprika, Zwiebel, Gurke und Tomate.

Verminephrobacter im Regenwurm

Im Darm eines Regenwurms leben Bakterien, die ihnen beim Ausscheiden von Abfallstoffen helfen. Bild: Atlant Bieri.
Im Darm eines Regenwurms leben Bakterien, die ihnen beim Ausscheiden von Abfallstoffen helfen. Bild: Atlant Bieri.

Das Innere von Bodenorganismen ist ein ähnlich grosses Tummelfeld für Mikroben wie das Innere von Pflanzenwurzeln. Nur ist es noch weit weniger bekannt. Ein Bakterium, das etwas genauer untersucht wurde, ist die Art Verminephrobacter. Sie lebt – soweit man weiss – ausschliesslich im Regenwurm und zwar in den so genannten Nephridien. Das sind Organe, die mit den Nieren oder dem Lymphsystem von uns Menschen vergleichbar sind. Durch sie scheidet der Regenwurm Abfallstoffe aus seinem Körper aus. Welche Funktion die Anwesenheit des Bakteriums hat, ist allerdings nicht so klar. Bislang zeigen die Daten, dass Regenwürmer die Geschlechtsreife früher erreichen und insgesamt mehr Nachkommen produzieren, wenn die Bakterien vorhanden sind. Dies gilt allerdings nur, wenn Nahrungsknappheit herrscht. Bei gut genährten Regenwürmern verschwindet der Effekt.  

Bakterien in Fadenwürmern

Fadenwürmer und Bakterien tun sich zusammen, um Jagd auf Käferlarven zu machen. Bild: Adobe Stock.
Fadenwürmer und Bakterien tun sich zusammen, um Jagd auf Käferlarven zu machen. Bild: Adobe Stock.

Ein richtiges Power-Gespann sind insektenfressende Fadenwürmer (Nematoden) und die so genannten Xenorhabdus-Bakterien. Diese leben symbiotisch in speziellen Bläschen im Darm der Fadenwürmer. Dort sind sie vor der Umwelt geschützt und sie erhalten Nahrung.

 

Sowohl Bakterien als auch Nematoden ernähren sich bevorzugt von Insektenlarven im Boden. Jeder für sich alleine würde an der Überwältigung einer fetten Käferlarve kläglich scheitern. Doch zusammen sind sie unschlagbar. 

 

Ein Angriff läuft so ab: Die Nematoden dringen über Mund, Atemöffnungen oder Anus in die Käferlarve ein. Drinnen angekommen entlassen sie die Xenorhabdus-Bakterien aus ihrem Darm. Nun sondern die Bakterien Giftstoffe ab, welche die Larve innert ein paar Tagen töten. Dabei hat das Gift eine Doppelfunktion: Es hält Mäuse und andere Aasfresser davon ab, sich über die tote Larve herzumachen. Ebenso wirkt es antibiotisch; das heisst, auch Pilze bleiben dem Kadaver fern. Fazit: Bakterien und Nematoden haben die Beute für sich allein.  

 

Am Einsatz von Nematoden und Xenorhabdus-Bakterien als biologische Schädlingsbekämpfung wird schon seit über einem halben Jahrhundert geforscht. Unter anderem können mit ihnen die Larven des Dickmaulrüsslers getilgt werden. Die Xenorhabdus-Bakterien produzieren ein ganzes Arsenal an verschiedenen chemischen Verbindungen. Einige davon wirken sogar gegen Pflanzenkrankheiten wie die Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln und Tomaten. 


Tipps für die Förderung von symbiotischen Mikroben im Garten

Die Symbiosen im Boden sind noch wenig erforscht. Vieles ist noch unbekannt. Hier sind die wenigen Tipps, die sich heute schon abgeben lassen:

 

Es sollte für eine permanente Bedeckung mit lebenden Pflanzen gesorgt werden. Viele nützliche Mikroben wie Mykorrhiza oder Wurzelendophyten sind nur aktiv, wenn ihre Symbiosepartner anwesend sind.

 

Allgemein sollte die Bodenbearbeitung auf ein Minimum reduziert werden. Häufiges Umgraben oder gar Pflügen reisst die Pilzfäden von Mykorrhiza auseinander. Dadurch kann der Austausch von Nährstoffen und Zucker nicht mehr stattfinden.

 

Dünger sollte sparsam eingesetzt werden. Auch wenn er auf Mist oder anderen natürlichen Quellen basiert. Viele Symbiosen haben sich in einem Milieu der Nährstoffarmut entwickelt. Bei einem Überangebot von Nährstoffen gehen Pflanzen tendenziell weniger Symbiosen mit Rhizobien und Mykorrhiza ein. 

 

Es ist zwar selbstverständlich, aber soll hier trotzdem nochmals gesagt sein: Pestizide gehören nicht in den Garten. Feldversuche von Agroscope haben gezeigt, dass sie sich negativ auf Mykorrhiza auswirken. 

Bei Atlant&Arin gibt es viele Experimenten aus dem Bereich Natur und Technik für Kinder und Jugendliche: Raketen bauen, Salzkrebschen züchten und Unterhosen im Garten vergraben.

ink&colour ist unsere Abteilung für wissenschaftliche Illustrationen. Wir zeichnen für Kinderbücher, Naturposter, Lehrmittel und Ausstellungen.