Nutzpflanzen setzen Duftstoffe frei, sobald sie von Schadinsekten attackiert werden. Eine Schnüffel-Drohne soll diesen «Angstschweiss» aufspüren und Angriffe punktgenau abwehren.
Weltweit vernichten Schadinsekten wie Käfer, Raupen, Blattläuse oder Heuschrecken ein Viertel der Ernteerträge. Diese Verlustzahl wird sich mit dem fortschreitenden Klimawandel eher noch vergrössern. Pestizide können zwar helfen, doch sie sind teuer und schaden der Umwelt. Im wahrsten Sinn des Wortes vom Himmel gesandt kommt nun eine mögliche Lösung für das Problem. In Zukunft sollen Drohnen eine Attacke von Schadinsekten innert Minuten erkennen. Und zwar anhand des Dufts. Ein entsprechendes Verfahren wird gerade von Forschenden der ETH und der Universität Zürich entwickelt.
Drohende Gefahr zu erschnuppern ist bei Pflanzen nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. «Jede Pflanzenart besitzt einen typischen Geruch», sagt die chemische Ökologin Meredith Schuman, Spezialistin für Pflanzen-Duftstoffe an der Universität Zürich. Im gesunden Zustand ist der Geruch recht dezent. Doch das ändert sich, sobald Raupen und Käfer an der Pflanze zu fressen beginnen. Dann verströmt sie ein intensiv riechendes Parfüm. Man könnte es auch Angstschweiss nennen. «Ein typisches Beispiel ist der Geruch von frisch geschnittenem Gras», sagt Schuman. «Solche Gerüche setzen sich aus bis zu zwanzig oder mehr unterschiedlichen Substanzen zusammen.»
Was die Pflanzen damit bezwecken, ist noch nicht vollständig geklärt. «Wir vermuten aber, dass sie mit dem Duft kommunizieren. Sie rufen mit ihren Ausdünstungen beispielsweise die Feinde ihrer Feinde zu Hilfe», sagt Schuman. Das können Wespen, Ameisen oder sogar Vögel sein, die der Duftwolke folgen und so zu einem Leckerbissen finden.
«Es gibt Hinweise darauf, dass sich Pflanzen auch gegenseitig riechen können und sich so vor der drohenden Gefahr warnen», sagt sie. Die Nachbarn einer attackierten Maispflanze fahren in der Folge die Produktion von Abwehrstoffen hoch, um beispielsweise ihre Blätter schwerer verdaulich für Insekten zu machen.
Schuman will diese Duft-Sprache entschlüsseln, damit sie in der Lage ist, sich über den Zustand des Maisfeldes zu informieren. Dazu spannt sie mit den Ingenieuren der ETH zusammen. Diese haben eine Art Mini-Staubsauger entwickelt von der Grösse einer Streichholzschachtel. Er besteht aus einer Pumpe, einem Schlauch und etwas Elektronik. Ebenso besitzt das Gerät vier dünne Beine aus Karbonfasern. «Wir platzieren es mit Hilfe einer Drohne irgendwo im Maisfeld», sagt Stefano Mintchev, Experte für Robotik an der ETH Zürich und Entwicklungsleiter des Geräts.
«Die Ausbringung via Drohne hat den Vorteil, dass wir die Pflanzen nicht zertreten», sagt er. Nach dem Absetzen beginnt der Staubsauger mit seiner Arbeit. «Er saugt die Umgebungsluft an und damit auch die Duftmoleküle», sagt Mintchev. Diese werden in einem Kunststoffgranulat eingelagert. «Nach einer halben Stunde fliegt die Drohne erneut ins Feld und sammelt das Gerät wieder ein.» Im Labor können die Duft-Moleküle aus dem Granulat herausgelöst und analysiert werden. Wird Angstschweiss gefunden, ist das Feld von Insekten befallen.
Im Moment sind die Abläufe noch recht kompliziert und nicht für die praktische Anwendung auf einem Betrieb geeignet. «Natürlich ist es unser Ziel, dass am Ende alles vollautomatisch abläuft. Der Landwirt braucht die Drohne nur noch per Knopfdruck zu aktivieren und danach weiss sie selbst, was zu tun ist», sagt Mintchev.
Ebenso soll der Staubsauger in Zukunft durch einen oder mehrere Sensoren abgelöst werden. «Wir wollen Sensoren entwickeln, die auf einen bestimmten Duftstoff reagieren. Dadurch könnten wir das Resultat in Echtzeit erhalten.» Eine aufwändige Laboranalyse wäre nicht mehr nötig.
Doch dazu muss Schuman erst die Duft-Sprache besser verstehen. «Wir wissen zwar, welche Moleküle die Pflanzen absondern. Aber welche davon sich im Freien unter realen Bedingungen mit Sensoren aufspüren lassen, müssen wir noch herausfinden», sagt sie.
«Mit dieser Technologie könnten Landwirte wann immer nötig in kurzer Zeit ein mobiles Überwachungsnetz für Schädlinge in ihren Feldern aufbauen», skizziert Mintchev die Zukunft. Mit den heutigen Methoden gestaltet sich die Überwachung der Felder schwierig und ist auch recht ungenau. Landwirte stellen Insektenfallen am Rande des Feldes auf, um etwa die Ankunft des Maiszünslers zu überwachen. Oder sie machen eine Sichtkontrolle. «Doch die Schäden werden erst dann deutlich sichtbar, wenn sich die Schädlinge schon massiv im Feld vermehrt haben», sagt Schuman. «Duftstoffe hingegen können die Ankunft der Insekten bereits innerhalb der ersten Stunde anzeigen.»
Dadurch kann der Landwirt die Schädlinge in einer frühen Phase bekämpfen und braucht darum nur eine vergleichsweise geringe Menge an Pestiziden. «Womöglich muss er nicht einmal das ganze Feld sprühen, sondern nur die Ecke, in der sich die Schädlinge gerade niedergelassen haben», sagt Mintchev.
Durch das schnelle Eingreifen liessen sich viele Ernteausfälle verhindern, sagt Schuman. «Eine realistische Schätzung ist, dass man mit dieser Methode die Ernteverluste durch Insektenfrass halbieren könnte.»
Erschienen in der NZZ am Sonntag.