So war Tyrannosaurus rex wirklich

Er besass die grössten Raubzähne aller Zeiten und das stärkste Gebiss aller Dinosaurier. Zu Fuss war er nicht der Schnellste, doch dafür war er so intelligent wie ein Hund. Portrait eines tierischen Superstars.

Der Name Tyrannosaurus rex hallt wie ein Donner durch die Kinosäle, Kinderzimmer und Labors dieser Welt. Kein anderer Dinosaurier hat sowohl auf der Filmleinwand als auch im Museum eine so glänzende Karriere hingelegt. Bis heute beflügelt er die Fantasie von Sechsjährigen und den Forschungseifer der Wissenschaftler gleichermassen. Letztere versuchen seit über hundert Jahren die grosse Frage zu beantworten: Wer war der Kerl eigentlich?


Beginnen wir mit dem Offensichtlichen. T. rex war ein Fleischfresser. Darüber gibt es keine Zweifel. Der Paläontologe Stephen Brusatte von der Universität von Edinburgh sagt: «Er hat Fleisch gefressen und zwar sehr viel davon. Möglicherweise mehrere Hundert Kilo pro Tag.»


Ein Blick ins Maul von T. rex offenbart uns rund sechzig spitze Zähne. Auf deren Vorder- und Rückseite gibt es eine Sägekante, mit der sich auch das zähste Sauriersteak wie Butter zerteilen liess. Es sind die mächtigsten Zähne, welche jemals ein Raubtier besessen hat. Die grössten von ihnen haben das Ausmass einer Banane.


Aber wozu brauchte er ein so massives Gebiss? Nur um ein paar saftige Rippchen aus der Seite eines Stegosaurus zu reissen? Die Antwort auf diese Fragen liefert das, was um die Zähne herum ist: der Kopf. Dieser war 1,5 Meter lang und war so schwer wie eine kleine Kuh. Er bestand vorwiegend aus Knochen und Muskeln.

Jeder Zahn übt so viel Druck wie eine Pistolenkugel bei ihrem Aufprall aus.

Letztere konnten die beiden Kiefer mit einer Kraft von rund dreieinhalb Tonnen zusammenpressen. «Das ist etwa so, wie wenn man einen Monstertruck über seinen Fuss fahren lässt», sagt der Biomechaniker Paul Gignac von der Oklahoma State University. «Das ist die grösste Beisskraft, die jemals ein Dinosaurier hervorgebracht hat.» Noch ein Rekord.


Gignac konnte die Beisskraft mit Hilfe eines Computermodels berechnen. Dazu scannte er den Schädel eines T. rex und erstellte so ein digitales Modell. In ihm fügte er anschliessend die Kiefermuskeln ein. Dann fütterte er den Computer mit Daten von Messungen an lebenden Krokodilen. «Sie sind den Dinosauriern sehr ähnlich und sie besitzen die stärkste Beisskraft unter den heutigen Tieren», sagt Gignac. Für die Messungen steckte der den Krokodilen eine Art Badezimmerwage ins Maul und liess sie zu schnappen. Die grösste gemessene Beisskraft lag demnach bei 1,7 Tonnen – die Hälfte dessen, was T. rex zustande brachte.


Gignac ging noch einen Schritt weiter und berechnete den Druck, den ein Dino-Zahn auf ein Stück Fleisch ausübte. Die Kontaktfläche zwischen Zahn und Fleisch betrug zum Teil nur sechs Quadratmillimeter. Das ist die Fläche, welche die Stirnseiten von zwei Streichhölzern abdecken. Und darauf balanciert ein Monstertruck. Der entstehende Druck ist gigantisch, vergleichbar mit dem, der eine Pistolenkugel bei ihrem Aufprall ausübt. T. rex besass also ein Maul voller Geschosse. Das erklärt nun auch, warum die Zähne so gross waren. «Kleinere Zähne wären unter dem riesigen Druck zerbrochen», sagt Gignac.


Für das Zerkleinern von Fleisch war ein solches Maul komplett überdimensioniert. Das machte die Forscher stutzig. Ihre Schlussfolgerung: T. rex war nicht nur auf das Fleisch, sondern auch auf die Knochen aus. Denn Knochenmark enthält viel Phosphor, ein essentieller Nährstoff, der unter anderem bei der Energieversorgung des Körpers eine wichtige Rolle spielt. Mit seinen Zähnen war er wohl der einzige Saurier weit und breit, der Knochen zerbeissen konnte, was ihm einen Überlebensvorteil einbrachte.


Das passt auch zu einer anderen wichtigen Entdeckung, welche William Sellers, Paläontologe an der University of Manchester, dieses Jahr publizierte. Er fand heraus, dass T. rex nicht besonders schnell war. «Anders als im Film Jurassic Park war er nicht in der Lage einem Geländewagen hinterherzujagen», sagt Sellers.


Um die Frage nach seiner Geschwindigkeit gab es schon viele Schätzungen. Die tiefsten liegen bei 18 Kilometern pro Stunde, die höchsten bei 72 Kilometern pro Stunde. Diese grosse Bandbreite rührt von der Tatsache her, dass die Forscher wohl das Skelett kennen, jedoch nicht genau wissen, wie viel Muskelmasse an ihm dran war. Je mehr Muskeln sie den Computermodellen füttern, desto schneller ist der digitale T. rex. 

Bei 30 Kilometern pro Stunde hätte sich T. rex die Beine gebrochen.

Sellers umschiffte das Problem, indem er sich auf die Knochen konzentrierte. «Die Stärke der Knochen bestimmt, wie schnell er sich fortbewegen konnte», sagt er. Sechs Tonnen Dinosaurier auf zwei Beine zu stellen ist leicht. Doch sechs Tonnen auf zwei Beinen durch die Gegend rennen zu lassen, ist aus statischer Sicht unmöglich.  Sellers Modell zeigte, dass sich T. rex bereits bei 30 Kilometern pro Stunde die Beine gebrochen hätte. «Erst als wir ihn auf 20 Kilometer pro Stunde verlangsamten, hielten die Knochen die Belastung aus», sagt er.


Ein langsamer T. rex, der Knochen frisst passt auch zur Vermutung, dass sich der König unter den Dinosauriern zu einem Teil von Aas ernährte. Dafür spricht ebenso, dass der Teil seines Gehirns, der für das Riechen zuständig ist, stark vergrössert war. Damit konnte er ähnlich wie ein Geier verrottendes Fleisch kilometerweit riechen.


Um beim Kadaver anzukommen, musste er sich nicht beeilen. Denn was auch immer er vorfand – Fleisch oder nur noch Knochen – er konnte es verwerten. Zudem konnte er mit seinem Rekord-Gebiss die Konkurrenz entweder verscheuchen oder fernhalten, bis er fertig gespeist hatte.


Ein ausschliesslicher Aasfresser war er wohl nicht, denn einen Koloss wie T. rex nur mit Knochen zu betreiben, geht nicht. Darum sind die meisten Forscher heute der Auffassung, dass er sowohl Jäger als auch Aasfresser war. «Er konnte jagen und zwar sehr gut. Er war ein agiles Tier, das Beute fangen konnte», sagt Brusatte. Sellers präzisiert das: «Mein Gefühl sagt mir, dass T. rex ein Hinterhalt-Jäger war. Das kennen wir auch von den Krokodilen, die unter Wasser auf der Lauer liegen, bis ein Gnu zum Wasserloch kommt. Dann schlagen sie zu.»


Dafür spricht seine Fähigkeit, räumlich zu sehen. Seine Augen waren nicht zur Seite, sondern nach vorne gerichtet. Die Evolution hätte wohl nicht einen solchen Aufwand betrieben, nur um einen reinen Aasfresser mit 3D-Sicht auszustatten, damit er von einem Stück Gammelfleisch zum nächsten trotten konnte.

T. rex war so schlau wie ein Hund und konnte verfaulendes Fleisch so gut riechen wie ein Geier.

Und er war auch ziemlich schlau. «T. rex war intelligent, sehr intelligent sogar für einen Dinosaurier», sagt Brusatte. Forscher leiten das aus dem Verhältnis zwischen Gehirnvolumen und Körpergrösse ab. Demnach war T. rex gescheiter als seine nächsten Verwandten die Krokodile und die Vögel und konnte mit dem IQ eines Hundes mithalten. Das gab ihm das taktische Verständnis, das er für eine erfolgreiche Jagd brauchte.


Vieles an T. rex bleibt bis heute rätselhaft. Da wäre beispielsweise der Zweck seiner kurzen Arme. Es gibt abenteuerliche Theorien dazu. Eine ist, dass er damit grosse Pflanzenfresser wie etwa Triceratops umgeschubst hat, um danach seine Zähne in deren Flanke zu treiben. Manche sehen in ihnen eine Paarungs-Hilfe. Demnach stützte er sich mit seinen Stummelärmchen beim Geschlechtsakt auf dem Weibchen ab.  


Ebenso mysteriös bleibt seine Körperbedeckung. Aus versteinerten Hautabdrücken weiss man zwar, dass der grösste Teil seines Körpers mit Schuppen eingekleidet war. Dennoch lässt sich nicht ausschliessen, dass es beispielsweise auf seinem Rücken, von dem es keine Abdrücke gibt, Federn gegeben hat. Solche Spekulationen werden von Funden aus China von Vorfahren von T. rex befeuert. Denn diese hatten sehr viele Federn am ganzen Körper.


Abgetreten ist T. rex mit seinem letzten Rekord: dem lautesten Knall der Erdgeschichte. Vor 65 Millionen Jahren schlug ein zehn Kilometer grosser Meteorit auf der Erde ein und löschte ihn samt allen anderen Dinosauriern aus.

Bei Atlant&Arin gibt es viele Experimenten aus dem Bereich Natur und Technik für Kinder und Jugendliche: Raketen bauen, Salzkrebschen züchten und Unterhosen im Garten vergraben.

ink&colour ist unsere Abteilung für wissenschaftliche Illustrationen. Wir zeichnen für Kinderbücher, Naturposter, Lehrmittel und Ausstellungen.